Rudolf Augstein über Bismarck by SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG

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Autor:SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG [SPIEGEL E-Books]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2015-06-06T00:00:00+00:00


„Erfinder der teuflischsten Vernichtungswaffe“

Die USA nahmen jene Japaner in ihre Dienste, die Tausende von Menschenversuchen durchgeführt hatten. Sie und der Vatikan retteten die Barbies.

Sie holten sich Wernher von Braun, den ein Major Taggert weichzuklopfen suchte, indem er ihn den „Erfinder der teuflischsten Vernichtungswaffe“ nannte, die die Menschheit je besessen habe. Von Braun müsse hängen, „weil er diese grauenhafte Waffe der verbrecherischsten Regierung aller Zeiten in die Hände gegeben“ habe.

Nun war selbst Hitler, als ihn die Peenemünder V-2-Wissenschaftler einmal besuchten, der Satz entfahren, künftig werde Krieg dann ja wohl nicht mehr möglich sein.

Aber weder Hitler noch Major Taggert noch Wernher von Braun wußten damals von der Hiroschima-Bombe. Und Wernher von Braun mußte man auch gar nicht weichklopfen. Er selbst hatte seinen jüngeren Bruder Magnus auf dem Fahrrad zu den Amerikanern geschickt, um auf sich und seine Leute aufmerksam zu machen.

Die Befreiung vom Hitler-Joch mal wieder zu feiern, als ob es nichts Dringlicheres zu tun gäbe, mag also zwiespältig sein. Laßt doch die Amerikaner mit den Sowjets zusammen feiern. Wir können dem, wie in der Normandie, ohne Aufregung zugucken.

Nicht zwiespältig ist die Meinung derer, die überhaupt eine Wahl hatten, ob sie unter dem Kommando der Russen oder unter dem der Engländer, Amerikaner und Franzosen leben wollten.

Zwar hatte sich der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau jr. einige aparte Rachegedanken einfallen lassen. Er wollte die deutschen Kinder ihren Eltern wegnehmen, damit sie nicht im Geist des Hitlerismus groß würden. Kriegsminister Stimson war dabei nicht ganz wohl, aber er protestierte nicht.

Weiter wollte Morgenthau alle Industrieanlagen aus Deutschland entfernen und die Deutschen einfach zu einer Nation von Kleinbauern machen. Stimson meinte, daß man dazu einen Großteil der deutschen Bevölkerung „wegschaffen“ müsse. Darauf Morgenthau: „Nun, das ist nicht annähernd so schlimm, wie wenn man sie in Gaskammern schickt.“ Spiegelbildlich also der Madagaskar-Plan des SS-Mannes Eichmann.

Erschrocken stellte Morgenthau fest, die Deutschen brauchten einen Tagessatz von 2000 Kalorien, notfalls müsse man diese Menge durch Importe sicherstellen. Er alarmierte seinen Präsidenten Roosevelt.

Auch der war aufgebracht: „Ich will nicht, daß sie verhungern, aber wenn sie zum Beispiel Nahrung brauchen, dann sollen sie dreimal täglich mit Suppe aus der Feldküche versorgt werden. Sie werden ihr Leben lang daran denken.“ Schließlich habe die ganze Nation an einer ungesetzlichen Verschwörung gegen die Regeln der modernen Zivilisation teilgenommen. Gelegentlich denkt man, die Welt werde von Idioten regiert.

Morgenthau ließ nicht locker. Die ganze SS-Gesellschaft müsse man aus Deutschland wegschaffen, in irgendeine andere Ecke der Erde. „Sie einfach körperlich wegschaffen. Und es macht mir gar nichts aus, diesen Vorschlag genauso unbarmherzig zu formulieren, wie seine Ausführung notwendig ist.“

Offensichtlich hatte der Führer hier einen guten Gefolgsmann verpaßt. Morgenthau will die Kohlengruben, Eisenwerke und chemischen Werke im Ruhrgebiet sämtlich stillegen. Ein Konferenzteilnehmer äußert, die Feldküchen würden zur Verpflegung von 15 Millionen Menschen einfach nicht ausreichen. Morgenthau: „Um die Bevölkerung werden wir uns erst in zweiter Linie Sorgen machen.“ Und noch einmal: „Ich kümmere mich nicht darum, was aus der Bevölkerung des Ruhrgebietes wird.“ Seinen Präsidenten hatte er schon so weit gebracht, daß er ausrufen konnte: „Er ist soweit, er ist soweit, er ist soweit.



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